Belarus‘ überrascht

In Osteuropa beginnt das neue Jahr gleich mit mehreren Überraschungen: Zuerst ändert die UNO ihre Kategorisierung für Litauen, Lettland und Estland von Osteuropa in Nordeuropa und dann lockert Belarus’ seine Visa-Formalitäten für Bürger_innen aus 80 Staaten (darunter alle EU-Staaten). Ein weiterer Schritt in Richtung – ja was eigentlich?
Die Überraschungen im isoliertesten Staat Europas reißen nicht ab: Bürger_innen aus den 80 Staaten dürfen bis zu fünf Tage ohne Visum nach Belarus’ einreisen. Das belarussische Außenministerium hat außerdem Twitter die betroffenen 80 Staaten dazu ermutigt, auch ihrerseits die Visa-Bestimmungen für Personen aus Belarus’ zu lockern.

Noch im Oktober wurde die visafreie Zone um die Stadt Grodno eingerichtet, die es Tourist_innen ermöglichte, die Region der Stadt Grodno zu besichtigen. Angaben des Belarus Digest zufolge hatten allein in den zwei Monaten von Ende Oktober bis Ende Dezember fast 2000 Tourist_innen die Möglichkeit genutzt, Grodno und die Umgebung zu besichtigen. Das sind beeindruckende Zahlen, denn die Tourismus-Zahlen des Landes sind seit 2010 im Sinkflug. Nicht profitieren werden vom Privileg der fünf visafreien Tage übrigens explizit Personen, die per Flugzeug aus Russland einreisen oder planen, dorthin weiterzureisen.

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Was heißt die neue Öffnung? Und kann davon überhaupt die Rede sein?

Die Entwicklungen der letzten Monate geht durchaus in Richtung Öffnung und in Richtung Europäische Union: Auch Belarus’ fürchtet mögliche Expansionsansprüche Russlands – und steht als klar autoritär regierter Staat zwischen den Fronten. Denn der Konflikt zwischen Russland und „dem Westen“, so wie Russland ihn zeichnet, ist nicht nur einer, in dem es um territoriale Ansprüche geht. Russland macht die Auseinandersetzung seit Jahren und Jahrzehnten zu einer Auseinandersetzung zwischen liberaler, europäischer Demokratie auf einer Seite und „gelenkter“ Demokratie, wie sie Russland selbst nennt. Muss vielleicht ein Staat, der sich russischen Großmacht-Phantasien nicht unterordnen will, in dieser Lage zwangsweise Schritte in Richtung Demokratie setzen?

Es wird sich herausstellen und es wird sich erst beweisen müssen – denn von einer Demokratie oder einem Rechtsstaat ist das Land noch weit entfernt. Verfrühter Optimismus ist unangebracht.


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